Portrait

Wer ist eigentlich diese Marina Reuscher?

 

Auszug Tagespiegel. 14.10.2012


"Was genau ist nun diese Marina Reuscher? Sie ist Bäckerin, Galeristin, Fotografin, Buchhändlerin, Serviererin, Impressaria, Vorleserin, Bloggerin, das wechselt je nach Uhrzeit, Kundschaft, Gästen...


Früh am Morgen rührt sie in der Küche Teig, püriert Suppen, bestäubt dampfende Dinkel-Apfel-Kekse mit Puderzucker, schneidet Salate zurecht, belegt Sandwiches, alles bio, das ist Programm. Später trägt sie Cappuccino an Tische, kassiert, berät jemanden, der einen Thriller verschenken will. Nun, am frühen Abend, sitzt sie mit drei Kindern im Hinterzimmer und liest Gebrüder Grimm: „...Ich arme Jungfer zart, ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!“ Dann Hänsel und Gretel.

Buntstifte liegen auf dem Tisch, die Kleinen malen auf weißen Blättern ein Phantasieschloss, blaue Pferde, und hören nebenbei zu. Freitags ist das immer so, an anderen Tagen ist Basteln, Origami; Eltern bringen ihre Kinder vorbei, gehen wieder oder trinken vorne im Café etwas, nehmen sich Lektüre aus dem Leseregal oder vom Zeitschriftentisch, machen es sich auf Stühlen oder in Ohrensesseln bequem. Leise Jazzklassiker sind zu hören.

Marina Reuscher, 28, gelernte Fotografin, Geistes- und Kulturwissenschaftlerin, hat sich hier ihre Traumlandschaft entworfen, einen Wohlfühlort, von dem sie hofft, dass auch andere sich darin wohlfühlen. Die Caféhaustypen. Lesehungrige Kinder. Kunstinteressierte. Musikliebhaber. Amazonhasser. Kuchenfreunde. Für jeden gibt es etwas, mal ein Konzert am Abend, ständig wechselnde Ausstellungen, Kinderprogramme usw., weshalb sich ein Blick auf die Webseite lohnt.

Das geht so gut nebeneinander her, weil die Räumlichkeiten ideal sind. Das Café großräumig, die Einrichtung radikale Anti-Hipness, viel Holz. Einige der Regale, Stühle, Tische sind vom Nachbarn geliehen, einem Trödler, der damit ein Zwischenlager hat. Die Bücher: Aktuelles steht im Schaufenster, einigen Regalen, Kinderbücher in einem kleinen Nebenraum. Das große Zimmer hinter der Espressomaschine ist Galerie, im Moment sind Fotografien ausgestellt. Es gibt damit mehr gutes Leben in der eher recht unwirtlichen Urbanstraße. Grundsympathisch."

Norbert Thomma